UEBER DEN RECHTSANSPRUCH DES GLAEUBIGERS AUF EIN BESTIMMTES ZAHLUNGSMITTEL

 

Graham B. Greene schreibt auf S. 7 der indischen Ausgabe von "Mutual Banking":

 

"There is a great deal of mystification connected with the subject of currency; but if we remember that, when we sell anything for specie, we buy the specie, and that when we buy anything with specie, we sell the specie - - our ideas will grow wonderfully clear."

 

Greene hat eine nahe liegende Konsequenz nicht gezogen, naemlich die folgende:

 

Ein Darlehensvertrag oder ein Schuldvertrag gewoehnlicher Art ist tatsaechlich ein Leerverkauf von Bargeld und auf Termin durch den Schuldner. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Verkaeufer des Bargeldes (der Schuldner) am Verfallstage das Bargeld doch heranschafft, mag groesser sein als bei anderen Leerverkaeufen (Waren, Wertpapieren), gleich 100 % ist die Wahrscheinlichkeit nie.

 

Dadurch aber, dass hier der Zufall eine Rolle spielt waere, wenn man es sich recht ueberlegt, eigentlich der § 762 BGB anzuwenden, der Spielvertraegen die Klagbarkeit abspricht. Was Spiel ist, das hat das Reichsgericht so definiert:

 

"Spiel ist ein in der Absicht des Gewinnes abgeschlossener Vertrag, bei dem der eine Teil dem anderen etwas verspricht, falls ein gewisses, durch Zufall herbeigefuehrtes oder wenigstens beeinflusstes Ergebnis eintreten sollte."  (Heilfron, "Geld-, Bank- u. Boersenrecht", Seite 592 der 2-ten Auflage - - 1912.)

 

Verrechnung unter Zuhilfenahme von Verrechnungsobligationen ist gerade dann leicht moeglich, wenn der Zufall das Nicht-Vorhandensein von Bargeld in der oekonomischen Sphaere des Schuldners bewirkt hat. Dann liegt naemlich die Ware unverkauft beim Lieferanten, ist jedenfalls da und kann zur Herbeifuehrung der Verrechnung benutzt werden. Der Rest von dann noch verbleibendem Zufall (Unredlichkeit des Lieferanten, Zerstoerung durch Feuer, u. dgl. ist durch Versicherung auszuschalten, einschliesslich der Kreditversicherung.)

 

Greenes Entdeckung blieb unbeachtet, bis Meulen sie in seinem Werk "Free Banking" wieder ans Licht zog. Nach Greene kam dann Silvio Gesell darauf, dass auch bei "ordnungsmaessigem" Verhalten des Einzelnen das Risiko des Hortens von Bargeld durch das Publikum ueber ihm schwebt, und dass dieses Risiko gross ist. (In  halbwegs normalen Zeiten ist es, wie die Statistik lehrt, etwa gleich dem Feuer-Risiko; in Krisenzeiten ist es ein Vielfaches davon und steigt leicht bis nahe an 100%.) Die aeltere Gesetzgebung hat das nicht beachtet und beachtet es immer noch nicht.

 

gez. Bth., 9.12.54.

 

Der "Zufall" des Bargeldmangels und seine konkreten Ursachen sollten naeher dargestellt werden. Z.B.: Zentralisation und Notenmonopol fuer Notenausgabe, Kredit- und Geldumlaufbeschraenkungen, Hortbarkeit des Papiergeldes.

 

Wird dies aber konkret dargestellt, dann wird klar, dass nicht der Zufall, sondern diese Maengel des Geldwesens gesetzmaessig wirken! Vergl. Arbeitslosenversicherung. Nach einer solchen Darstellung koennte man § 762 BGB nicht mehr anwenden!  J.Z.

 

Das sind nicht Ursachen, sondern Voraussetzungen des Mangels an Bargeld, da wo es gebraucht wird.

 

Bei einer ausfuehrlichen Darstellung (die ich in meiner Niederschrift von 9.12.54 nicht beabsichtigt hatte) waeren zu unterscheiden:

 

a.) Voraussetzungen bzw. Bedingungen,

b.) causa occasionalis,

c.) causa efficiens.

 

Beispiel: Es droht ein Krieg, und das Land hat Goldwaehrung mit Goldumlauf. Dann sind die Waehrungs- und die andern, uns bekannten, den Geldumlauf "regelnden" Gesetze (z.B. der Anspruch der Glaeubiger auf Bargeld) die Voraussetzung. Die Kriegsgeruechte sind die causa occasionalis, und die Hortung durch den Einzelnen ist die causa efficiens der allgemeinen Geldknappheit.

 

Bth.

22.3.55.

 

Kann man beim Bestehen solcher Voraussetzungen noch vom Zufall sprechen?  Zu.

 

Zufall ist unsere Unkenntnis der Ursachen. Im Grunde gibt's keinen Zufall.

 

Keine Rueckgabe.                                             

Bth.

4.4.55.

 

Kann man also § 762 BGB anwenden? Zu.

 

Der § 762 BGB ist anwendbar, obgleich eine Somnambule in "hoechster Potenz" (wie Schopenhauer es bei einer aehnlichen Erwaegung ausdrueckt) alles auf ein paar Jahre voraussagen koennte.

Bth.

12.4.55.

 

(Nun liess ich ihn endlich damit in Ruhe! Zu.)

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Page 3144.